Indianermädchen@work [Mädchenkram]

Ich habe zur Zeit 17 Klienten, Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Darunter sind 5 weibliche Klienten. Mädchen und Frauen sind bei uns eher in der Unterzahl, etwa 3/4 unserer Klienten sind männlich. Die Gründe dafür sind verschieden und sollen heute aber gar nicht Thema sein, denn ich habe eine neue Klientin, die sich mich als Therapeutin ausgesucht hat. Denn ich habe ja Emmely.

Und das ist bei uns eher die Ausnahme – natürlich kann man sich einen Therapeuten wünschen – aber ob das umgesetzt wird und werden kann, ist ebenfalls von verschiedenen Faktoren abhängig. Zum Einen muss derjenige gerade einen Therapieplatz frei haben, der dann auch noch zeitlich für die/den KlientIn passt, zum Anderen muss es inhaltlich passen. Da spielt dann zum Beispiel das Geschlecht des Therapeuten eine Rolle (wobei hier die Männer klar in der Unterzahl sind), aber auch die Ausbildung. Wir sind ja ein interdisziplinäres Team, mit Sozialpädagogen, Musik- und Kunsttherapeuten, Psychologen, Rehabilitations- und – so wie ich ja auch – Heilpädagogen. Und auch wenn wir alle nach dem gleichen Konzept arbeiten, so haben wir ja schon unterschiedliches Hintergrundwissen und verschiedene Herangehensweisen, wie man an Zielen arbeiten kann. Letztendlich entscheidet unser Chef, wer welchen Klient übernimmt. 
Tilde ist 12 Jahre alt (sie heißt in Wirklichkeit natürlich anders) und kommt bereits seit einem Jahr zu uns. Sie ist bei Veränderungen im Alltag schnell angespannt und lässt sich in der Schule sehr schnell von anderen Dingen abgelenkt. Sie hat eine sehr enge Bindung zu ihrer Mama, was zum Teil dazu führt, dass sich Tilde nur schwer von ihrer Mama trennen kann und ohne sie ziemlich verunsichert ist.
Bis vor kurzem hatte sie eine Therapiestunde pro Woche, allerdings war schon länger geplant, dass sie zwei Stunden pro Wochen bekommen soll. 
Nach unserem Konzept bedeutet das aber nicht, dass die zwei Stunden bei einem Therapeuten oder einer Therapeutin, sondern bei zwei verschiedenen Personen stattfinden.
Nun ist Tilde sehr tierlieb, spielt gerne mit den Nachbarshunden und verbringt sehr viel Zeit auf dem Reiterhof. Vor allem Pferde sind ihr Spezialinteresse. 
Ein Ziel der Therapie war und ist es, dass Tilde die Therapiestunden auch ohne Beisein ihrer Mama schafft. Und nun war die Idee des Teams und auch der Mama, dass ihr das leichter fallen würde, wenn sie die Therapie mit Emmely hätte.
Seit Oktober hat Tilde nun also ihre zweite Stunde bei Emmely und mir, und bereits seit der zweiten Therapiestunde mit Emmely sind wir nur noch zu Dritt – ohne Mama. 
Das schafft Tilda inzwischen schon gut – und ihre Mama auch. Die ist nämlich auch immer etwas besorgt um ihre Tochter, was ja auch nicht schlimm ist, aber es ist ja auch schön, wenn eine Zwölfjährige auch mal eine Stunde ohne die Mama sein kann. 
Die Stunden mit Tilda sind toll, denn wir machen so richtigen Mädchenkram. Endlich konnte ich mal mit jemandem mein Einhorn-Würfelspiel ausprobieren, welches ich vor zwei Jahren geschenkt bekommen habe und mit bisher keinem Klienten spielen konnte (dabei konnte Emmely aber nur zugucken). Und weil Tilda gerne „Pferdchen“ spielt und dann so tut, als ob sie einen Pacour reitet, machen wir das natürlich auch mit Emmely. Aus Sitzsäcken werden Hürden, Gassen – sogar ganze Labyrinthe gebaut, durch die sich das Indianermädchen dann durchfressen darf. Manchmal muss sie eine ganze Spur aus Hundekeksen verfolgen und manchmal winzig kleine Krümel unter einem Haufen von Sitzsäcken suchen. Oder aber Emmely gehört mit zum „Rauminventar“ und während die eine Person außerhalb des Raumes wartet, verändert die zweite Person etwas im Raum und die erste Person muss dann erraten, was sich verändert hat. Dazu zählt natürlich auch, wenn bei Emmely plötzlich das Halsband fehlt oder sie statt zu liegen nun woanders sitzt.

Nächste Woche backen wir Kekse. Kekse,die sowohl Pferde als auch Hunde essen dürfen. Und dann werden wir mal sehen.

Emmely sorgt in diesem Fall für die notwendige Motivation und Ablenkung bei Tilde. Natürlich helfen die kleinen Spiele auch dabei, sich als selbst wirksam und erfolgreich zu erleben und so das Selbstvertrauen zu stärken, sowie die Wahrnehmung und Kreativität und Flexibilität zu steigern.
Im Moment geht es in der Therapie aber besonders darum, sich kennen zu lernen und gemeinsam Spaß zu haben. Spaß zu haben, auch wenn die Mama nicht dabei ist.

Am Besten soviel Spaß, dass Tilde es bald gar nicht mehr erwarten kann, sich zu verabschieden und unsere gemeinsame Stunde mit Emmely beginnt.  Aber soweit sind wir noch nicht…

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