Wie ich auszog, um dem Gruseln und Motzen das Fürchten zu lernen [Der Wildfang in der Pubertät 2]

Im Moment ist der Wildfang also in der Pubertät und hört schlecht, bellt dafür um so lauter und gruselt sich.
Das ist natürlich kein Zustand, den ich einfach ignorieren kann oder darf. Denn selbstverständlich soll Hazel nicht im Glauben bleiben, dass sie Mensch und Hund nach ihrem Gutdünken verbellen und vertreiben darf. Also arbeiten wir daran.

Doch habt ihr gewusst, wieso Hunde in der Pubertät schlecht hören oder schreckhafter sind, obwohl sie dieselben oder ähnliche Situationen vorher ganz souverän gemeistert haben?
Machen wir mal einen kleinen Exkurs ins Gehirn, denn dort finden nun ganz viele „Umbauarbeiten“ und damit verbundene Veränderungen statt (wie beim Menschen übrigens auch – und vielen anderen Lebewesen):
  • Das emotionale Bewertungszentrum (steuert Wahrnehmung und Reaktionen, auch Mandelkern oder Amygdala genannt) vergrößert sich gerade und reagiert empfindlicher und intensiver auf Reize aus der Umwelt. Dadurch fallen Reaktionen emotionaler aus, was leider das Angst- und Aggressionsverhalten begünstigen kann.
  • In der Großhirnrinde, die für die Handlungsplanung, für die Ausführung von willkürlichen Bewegungen und für kognitive Prozesse zuständig ist, werden Synapsen (also die Kontaktstellen zwischen den Zellen, die Signale zwischen den Zellen übertragen und Informationen speichern) abgebaut.
  • Der präfrontale Kortex der Großhirnrinde ist sozusagen der „Arbeitsspeicher“. Er empfängt die verarbeiteten Reize und die aus dem Mandelkern (emotionales Bewertungszentrum)  kommende emotionale Bewertung und daraus entsteht die nächste Reaktion. Dieser Hirnbereich reift erst später aus und wird während der Pubertät kleiner.
  • In Momenten des Glücks, z. B. nach einem Lernerfolg oder einer geglückten Handlung, wird im Gehirn der Botenstoff Dopamin (oder auch „Glückshormon“) ausgeschüttet. Dadurch verbreitet sich ein gutes Gefühl im Körper. In der Pubertät befindet sich diese Art Belohnungssystem im Gehirn ebenfalls im Umbau und funktioniert daher anders als bei Welpen und erwachsenen Hunden. Es kann also sein, dass ein Hund in dieser Zeit Situationen, die er vorher noch als toll oder aufregend empfunden hat, nun total langweilig findet und deshalb ständig auf der Suche nach besseren Erlebnissen ist – damit das Dopamin weiterhin ausgeschüttet wird. „Selbstbelohnung“ wird also gerade groß geschrieben.

Und weil Hunde in dieser Zeit emotionaler reagieren, sind sie auch manchmal schwieriger für uns Zweibeiner einzuschätzen und wirken unkonzentrierter und gereizter. Vielleicht wird das Alleinebleiben jetzt (wieder) zum Problem, bei manchen Hunden verändert sich das Spielverhalten oder/und manche werden erkundungsfreudiger. Außerdem sagt man, dass junge Hunde stressanfälliger sind und daher auch stärker auf Stressfaktoren reagieren – und was Stress auslöst entscheidet das Gehirn des Hundes.
Das heißt also für den schlecht hörenden Wildfang – der macht das nicht um mich zu ärgern, der kann einfach nicht anders. Deshalb ist übertriebene Strenge nicht wirklich hilfreich – Konsequenz hingegen schon.
Wenn Hazel also mal wieder Sitz und Platz nicht so macht, wie ich das will, mache ich sie durchs erneutes Ansprechen oder auch Anstupsen auf mich aufmerksam und wiederhole das Kommando, meistens unterstreiche ich das Ganze dann noch mit der entsprechenden Handbewegung. Futter oder Spielzeug hilft auch dabei, um die Aufmerksamkeit zu halten – ja, ich greife hier tief in die Trickkiste, aber schließlich haben weder Hazel noch ich etwas davon, wenn einer von uns gefrustet ist, weil etwas nicht klappt. 
So entspannt wie nur möglich durch die Pubertät ist unser Motto
[Allerdings zeigt sich hier bereits eine meiner Schwächen: Denn Hazel ist seit ihrem Einzug davon überzeugt, dass sie ein Schoßhund ist – und ich habe sie in dem Glauben gelassen (und vielleicht, aber nur ganz vielleicht auch darin bestärkt ..). Mit ihren knapp 17 kg ist sie auch jetzt nicht wirklich schwer und manchmal – wenn sie besonders niedlich ist – darf sie auch mal kurz zum Kuscheln auf den Schoß (und ich versichere: Keiner von Euch könnte da widerstehen, wenn ihr erst einmal von ihr umarmt worden seid, während sie auf eurem Schoß sitzt..) Nun möchte das Hazelkind aber manchmal viel lieber mit mir kuscheln als Platz oder Sitz zu machen. Und dafür hat sie eine verdammt fiese Technik ausgeheckt, um mich um den Finger zu wickeln. Erst eine Pfote auf mein Knie – dann schaut sie mich mit großen Augen an und – legt den Kopf schief – in diesem Moment hab ich eigentlich schon verloren.. Und ich gebe zu – manchmal – aber wirklich nicht immer – darf sie dann zum Kuscheln auf den Schoß .. Aber dann muss sie auch wieder runter und sich hinsetzen oder hinlegen…]
Wenn sich der Wildfang gruselt und vor irgendwas Angst hat, dann versuche ich mir die Zeit zu nehmen um ihm zu zeigen, dass es da gerade nichts Grusliges gibt. Als wir einmal in der Stadt waren und der Sonnenschirm an einem Café sich wegen dem Wind heftig bewegte und laut raschelte, blieben wir fast 15 Minuten einfach stehen und es gab Hundekekse und ruhige Worte, bis er sich wieder entspannte. Manchmal ist das natürlich nicht möglich – wenn man es zum Beispiel gerade eilig hat und irgendwo hin will – aber wann immer es geht, soll Hazel die Erfahrung machen, dass nichts Schlimmes passiert.
Am Schwierigsten finde ich die Sache mit dem Schutztrieb, also wenn Hazel andere Hunde oder Menschen verbellt und dabei eindeutig nicht ängstlich wirkt. Schwierig finde ich es, weil ich damit eigentlich keine Erfahrungen habe. Von Emmely kenne ich das nämlich so gar nicht und auch nicht von anderen Hunden, mit denen ich vorher gearbeitet habe oder zu tun hatte. Ich bin hier also Neuling auf dem Gebiet und lese mich gerade in das Thema ein, tausche mich viel mit Anderen aus und überlege, welcher Weg wohl für uns der Richtige sein könnte.
Klar scheint zu sein: Ich muss hier mehr die Führung übernehmen, es ist nicht die Aufgabe vom Wildfang irgendwas oder irgendwen zu verteidigen. 
Im Moment mache ich es so: 
Ich versuche schon so früh wie möglich im Vorraus zu erahnen, in welcher Situation sie bellen wird. Meist starrt sie erst aufmerksam in eine bestimmte Richtung, bevor das Komplett-Programm mit Nackenfell aufstellen, steif machen, motzen, bellen und kläffen und vertreiben einsetzt. Ich spreche sie dann an, rufe sie ggf. zu mir und versuche es mit Ablenkung. Manchmal reicht es, wenn ich Futter in der Hand habe und sie einfach ins Sitz oder Platz schicke und die Aufmerksamkeit halte, während der fremde Hund zum Beispiel an uns vorbei geht oder ich trickse ein bisschen mit ihr. Das hilft allerdings nicht immer – wenn sie dann trotzdem motzen will, folgt ein strenges „Nein“ oder wenn das nicht reicht, schiebe ich noch ein „Feierabend“ oder „Schluss jetzt“ hinterher – da wissen die Mädels: Jetzt ist Schluss mit Lustig. Manchmal stelle ich mich dann auch vor sie.
Sobald Hazel das Motzen kurz unterbricht und sich mir widmet, gibt es augenblicklich eine positive Rückmeldung – in unserem Fall ein sehr freundliches (und hohes) „Ja“ oder „Prima“, Streicheln und/ oder Hundekekse. Je nachdem wie hoch Hazel die Gefahr einschätzt, kann das auch mal einige Wiederholungen von „Nein“, „Feierabend“, „Ja prima“, „Nein“, „Feierabend“ „Ja“ usw. geben. 
Aber manchmal reicht es trotzdem nicht aus oder aber ich habe den Hund oder Menschen zu spät gesehen und der Wildfang läuft los und tut sein Bestes, um mir den Eindringling vom Leib zu halten.
Deshalb wird es wohl zusätzlich Zeit für die Schleppleine. Die hat mir während Emmelys Pubertät  schon gut geholfen und wird auch hier bestimmt zum Ziel verhelfen.
 
Eine weitere Baustelle ist der Rückruf. Im Moment kommt Hazel etwa 8 von 10 Mal sofort wenn ich rufe. Aber es kommt halt auch mal vor, dass sie erst überlegt und sich dann zum Beispiel für Emmely oder einen anderen Hund entscheidet. Oder für den Pferdemisthaufen..Hier hat sich auch beim Indianermädchen schon früher – und immer noch – bewährt, dass ich immer mal wieder eine wirklich großartige Belohnung rausrücke, wenn es mit dem Rückruf klappt. Das kann ein Jackpott sein (in unserem Fall eine ganze Handvoll TroFu auf einmal), ein kurzes Spiel (Frisbee fliegt oder zergeln) oder eine besonders feine Belohnung. 
[Sowas baue ich übrigens immer mal wieder ein – auch um für Emmely den Rückruf weiterhin positiv belegt zu halten – ich rufe die Mädels auch manchmal einfach so heran, ohne dass dann eine „negative“ Konsequenz wie Anleinen folgt.]
Auch hier kann und wird die Schleppleine aber nochmal eine zusätzliche Sicherung und Hilfe sein – die Leine haben wir auch, aber nun fehlt noch ein Geschirr, denn das Zuggeschirr geht dafür natürlich nicht.
Übrigens: Wenn ich mal selbst gestresst und genervt bin, dann weiche ich anderen Hundebegegnungen einfach aus und suche mir keine schwierige Umgebung, bei der Hazel sich wahrscheinlich gruseln würde, aus.
Mal sehen, ob wir damit gut durch die Pubertät kommen – und wie lange die wohl dauern wird, läufig war der Wildfang ja auch noch nicht. 
Wir werden jedenfalls regelmäßig berichten, wie es so klappt.
Allen anderen Zweibeinern, die gerade auch so einen schwerhörigen und motzenden Vierbeiner Zuhause haben mag ich sagen: 
Ihr seid nicht allein. 
Einmal tief durchatmen
Euren Vierbeiner liebhaben. Und weiter geht’s!
[Ihr wisst ja: Ich bin weder Hundetrainerin noch Hundepsychologin oder ähnliches. Ich gebe hier nur mein laienhaftes gesammeltes Wissen aus Büchern und eigenen Erfahrungen wieder.]

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